Im Wallis heissen sie “Suonen”, der deutsche Begriff lautet gänzlich nüchtern “Wasserleiten” und auf französisch sind sie “Bisses”. Egal wie man sie nennt, die heute noch bestehenden Bisses sind Garant für tolle, teils sogar spektakuläre Wanderungen. Erstellt wurden die Wahrzeichen der Walliser Landschaft ab dem 13. Jahrhundert, um das Wasser aus den Seitentälern ins niederschlagsarme Haupttal zu leiten.
Schon lange wollte ich mal so eine Suonen-Wanderung machen. Leider liegt das Wallis nicht gerade vor meiner Haustüre, so dass es bis anhin nie dazu gekommen ist. Das hat sich gestern geändert. Ausgangspunkt für meine Premiere war St. Léonard. Sollte man es nicht schon während der Anfahrt bemerkt haben, so weist einem spätestens dieses Schild darauf hin, dass wir mitten im Walliser Weinbaugebiet sind.
Durch dieses Weinbaugebiet führt auch der Anfang der Wanderung.
Die Trauben sind zwar grösstenteils schon gelesen, doch die Winzer haben für mich noch ein Trauben-Blüemli stehen gelassen.
Und endlich die erste Suone. Leider trockengelegt, da die Rebstöcke an den Flanken des Tales Mitte Oktober offenbar nicht mehr bewässert werden.
Die Spannung steigt! Bald sollte der spektakulärste, ausgesetzte Teil der Bisse de Sillonin folgen. Der Automobilist tut gut daran, das Fahrverbotsschild zu beachten.
Spätestens hier wird klar: Das ist ein reiner Fussweg.
Ich flippe aus! So wunderbar ausgesetzt. Ich will jetzt ja nicht überheblich sein, aber für mich als ehemalige Klettergeiss sind solche Strecken der reinste Spaziergang.
Das Filetstück der Strecke, die übrigens durchgehend mit soliden Seilen oder Geländern versehen ist.
Wir sind alle kurzärmlig unterwegs, die ganz Mutigen zeigen sogar Bein. Nach einer längeren Strecke am Schatten sind wir aber alle froh, wieder die Sonne zu sehen.
Am Wald, so scheint es mir, wird grad nur noch so viel gemacht, dass der Weg begehbar bleibt. Viel dürres Holz liegt ungenutzt herum. Vor wenigen Jahrzehnten noch hätte man das gesammelt und damit den Ofen beheizt.
Und dann, am oberen Teil der Grand Bisse de Lens, doch noch die eine oder andere Pfütze. Aber auch hier fliesst kein Wasser mehr.
Am Lac Louché in Lens gibt es Mittagshalt vor verschwenderischem Panorama, bevor wir uns “Chez Valérie et Karin” ein Dessert genehmigen.
Lens ist der Wendepunkt unserer Wanderung. Nun geht es wieder runter ins Tal. Wir folgen der Grand Bisse de Lens.
Und wieder beginnt mein Herz vor Freude zu hüpfen.
Viel zu schnell sind die spektakulären Abschnitte hinter uns. Von mir aus könnte es noch lange so weitergehen.
Nach einem steilen Abstieg durch den knochentrockenen Wald sind wir wieder zurück in den Weinbergen.
Seit jeher haben mich die geometrischen Strukturen, die die Rebstöcke einer Landschaft verleihen, fasziniert.
Die alten Rebstöcke wetteifern um die skurrilste Form.
Und schon bald sind wir wieder an unserem Ausgangspunkt.
Rund viereinhalb Stunden sind wir gewandert. Haben geschwitzt, gekeucht, gelacht, uns gefreut an den prächtigen Herbstfarben, dem bombastischen Panorama.
Vielen Dank an Barbara für die gute Idee und Durchführung der Wanderung und ein herzliches Dankeschön an alle Mitwanderer für die tolle Kameradschaft.
Mehr Informationen und eine weitere Auswahl der mehreren hundert Fotos, die unterwegs geschossen wurden, gibt es hier.
Wer mehr über Suonen wissen will, dem sei diese Website wärmstens empfohlen. Hier gibt es nicht nur Informationen über die Geschichte der Wasserkännel, sondern auch zahlreiche Wandervorschläge. Ich sage nur: Da wartet noch viel Arbeit.